Bei der WM im Einsatz: Hans Artschwager aus Hildrizhausen

Artikel vom 02. Dezember 2017

24 Jahre lang musste Deutschland darauf warten: Die Weltmeisterschaft der Frauen vom 1. bis 17. Dezember ist das Handball-Ereignis des Jahres und treibt auch Hans Artschwager schon eine ganze Weile um. „Zwölf Sitzungen in den vergangenen 15 Monaten, und das bei diesem Verkehrskollaps rund um Stuttgart“, zählt der Waldhaus-Geschäftsführer aus Hildrizhausen, der auch Präsident des Handballverbands Württemberg (HVW) ist, auf. Dazu unzählige Besprechungen und Telefonate.

Ein ausgeklügeltes Konzept hatten er und seine Mitstreiter beim Deutschen Handballbund (DHB) eingereicht, um möglichst viel von der WM ins „Ländle“ zu bekommen. „Wir hätten gerne eine Hauptrundengruppe ausgerichtet“, lässt er durchblicken. Bekommen hat er eine Vorrunde – zwar ohne die Deutschen, die spielen in Leipzig, dafür mit den großen Handballnationen Norwegen und Schweden und ihren unglaublich einfallsreichen Fans. Gespielt wird ab heute in der Bietigheimer EgeTrans Arena. Bis nächsten Freitag wird Artschwager dort auch im Hotel übernachten, viele freie Betten gibt es in der Stadt nicht mehr.

Bietigheim hat sich richtig viel einfallen lassen

„Wir haben richtig gepowert“, blickt der 61-Jährige zurück. „Die Mannschaften und Gäste sollen Bietigheim eine Träne nachweinen, wenn die Vorrunde abgeschlossen sein wird. Keiner der Austragungsorte hat so viel zu bieten.“ Der IHF, der Weltverband, hat in der Halle das Sagen, der DHB ist der Veranstalter, die Württemberger sorgen für das Drumherum. Und haben sich dabei jede Menge einfallen lassen. „Meine hauptsächliche Aufgabe wird sein, das Rahmenprogramm zusammenzuhalten“, so Artschwager. Zusammen mit der Stadt. Insgesamt 130 Volunteers sind ebenfalls im Einsatz. „Und die brennen alle“, ist der Hildrizhauser überzeugt.

Gestern war die Generalprobe, ob mit der Technik alles funktioniert. „Bei der letzten Austragung wurden die Fahnen von Süd- und Nordkorea vertauscht, das darf natürlich nicht passieren.“ Die Mannschaften und Offiziellen reisten an, die ersten Kontakte wurden geknüpft, 160 Akkreditierungen wurden ausgegeben. Heute stehen ab 14 Uhr die ersten drei Gruppenspiele an, alle Tickets sind so gut wie vergriffen. „Für mich sind die nächsten Tage ein Mittelding zwischen Stress und Hobby“, sagt Hans Artschwager, der seit Oktober sogar Vizepräsident beim DHB ist, mit einem Augenzwinkern. „Wenn ich mir meinen Ablaufplan anschaue, dann bin ich schon gefordert, aber das krieg‘ ich hin“, hat er sich in seiner neunjährigen Amtszeit eine gewisse Routine angeeignet. „Ich brauch‘ ja keinen Redenschreiber mehr.“

Ob es ihm allerdings reichte, das Eröffnungsspiel der deutschen Mannschaft am Freitagabend gegen Kamerun anzuschauen? „Ich hatte sogar eine Einladung nach Leipzig, habe aber abgesagt“, wäre ihm dieser Stress zu groß geworden. In Bietigheim boten sie ja auch ein großes Public Viewing an – die Stimmung war bestimmt prächtig. Die Fan-Zone direkt neben der Arena ist fest in württembergischer Hand. Dort spielt die Musik, dort finden die Partys statt, dort werden die Gäste begrüßt. „Auf halbem Weg von der Arena runter in die Stadt“, so Artschwager. Also gar nicht zu verfehlen.

Am Samstag auf dem Programm: Erst eine Präsidiumssitzung mit dem ersten Feedback der teilnehmenden Teams aus Polen, Ungarn, Norwegen, Schweden, Tschechien und Argentinien, dann der Besuch von sechs E-Jugendmannschaften, die bei der vorher in Wernau ausgetragenen Mini-WM Eintrittskarten gewonnen hatten. „Die Euphorie war der Hammer“, konnte er sich vor Ort über den Feuereifer und die Begeisterung beim Nachwuchs überzeugen. „Gewonnen hat Tunesien, Sieger bei der zweiten Mini-WM in Aalen wurde Tschechien.“ Ob die WM genau so ausgeht? Eher unwahrscheinlich. Ebenfalls vorgeschaltet waren drei Mädchen-Camps, eines davon in Magstadt. Die Teilnehmerinnen werden sich am Sonntag zur Sternfahrt nach Bietigheim aufmachen, rund 100 Teilnehmerinnen und Betreuer. Dazu hatte der HVW einen Videowettbewerb für Spalierkinder ausgelobt. „Irre, was wir da für Zugriffszahlen auf unserer Homepage hatten“, wunderte sich Artschwager.

Mini-WM, Mädchen-Camp und Ehemaligen-Treff

Vorgemerkt hat er außerdem: Den kommenden Dienstag als Grundschulaktionstag („eine unserer besten Errungenschaften“), den Donnerstag, wenn der Württembergische Landessportbund und die Sportregion vorbeischauen, und der Freitag, denn zum Vorrundenabschluss werden ehemalige Auswahlspielerinnen nach Bietigheim eingeladen. Darunter alte Bekannte wie Silvia Schmitt oder Sabrina Koschella, die mit dem VfL Sindelfingen Europapokalzeiten erlebten. „Viele haben zugesagt“, freut sich Artschwager auf das Wiedersehen. Und noch besser: Er hat in der Einladung alle ganz vornehm gefragt, ob sie sich vielleicht für eine Aufgabe oder Idee engagieren könnten. „Die Resonanz war vielversprechend. Das fällt leichter, als neue Leute zu begeistern.“

Rückblick: Vor 24 Jahren war Deutschland das letzte Mal Ausrichter – und Weltmeister. „Der Sindelfinger Glaspalast war komplett ausverkauft“, weiß Hans Artschwager noch ganz genau. Und mit Annika Schafferus gehörte auch eine Hildrizhauserin zum Erfolgsteam. „Danach wurde der Frauenhandball immer wieder in den Dornröschenschlaf versetzt“, war der HVW-Präsident mit der Entwicklung überhaupt nicht einverstanden. Bis heute. „Inzwischen wurden die Zeichen der Zeit erkannt. Und Bundestrainer Bieger hat ein Team geformt, das einen richtig geilen Handball spielt.“ Das gilt auch für Württemberg. Vor 18 Jahren gab’s gar keinen Erstligisten, mittlerweile sind es fünf von vierzehn, der aktuelle deutsche Meister heißt SG BBM Bietigheim. „Ich schreibe viel Kurt Reusch zu, dem langjährigen Landestrainer“, so Artschwager. „Wir haben dank ihm die beste Trainerausbildung, dazu engagierte Vereine und jetzt auch den notwendigen materiellen Background.“

Natürlich schaut sich Hans Artschwager an den kommenden Tagen so viele Spiele wie möglich an, auch beim Finale in Hamburg ist dabei. Seine Frau Karin wird ihn ab und zu in Bietigheim besuchen und nach dem Rechten sehen, an den spielfreien Tagen ist auch Gelegenheit, um einiges aufzuarbeiten. Unterbrochen wird die Handballbegeisterung nur durch eine Trauerfeier daheim im Waldhaus für einen langjährigen Mitarbeiter. Ansonsten läuft es in der Jugend- und Sozialhilfeeinrichtung am Schönbuchrand auch ohne den Geschäftsführer. „Ich habe so gute Leute dort, die kriegen das alles prima hin“, so Artschwager. Und mit einem Schmunzeln: „Als ich das letzte Mal aus dem Urlaub zurückkam, hatte ich gar nichts zu tun. Alles war schon erledigt.“

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