Warum Zentralismus?

»Das ist ein Meilenstein« – DHB-Präsident Andreas Michelmann

Der Deutsche Handballbund soll straffer organisiert werden. Die Widerstände sind groß

Von Oliver Rast Ausgabe vom 27.12.2019, Seite 16 / Sport

Der Deutsche Handballbund (DHB) hat rund 750.000 Mitglieder und eine Führung, die nicht erst seit gestern eine Strukturreform durchsetzen will. Seit 2017 ist das ihr erklärtes Ziel. Die Gründe liegen auf der Hand. Wenn die Strukturen der Sportverbände oft undurchsichtig sind, gilt das für den deutschen Handball in besonderem Maße. Er ist noch föderaler strukturiert als die Bundesrepublik. Nordrhein-Westfalen verfügt über drei Landesverbände: Westfalen (Dortmund), Mittelrhein (Köln) und Niederrhein (Düsseldorf), genauso Baden-Württemberg: Württemberg (Stuttgart), Nordbaden (Karlsruhe) und Südbaden (Freiburg). Im vergangenen Herbst fasste das zweithöchste DHB-Gremium, der Bundesrat, nun einen Grundsatzbeschluss. Es soll eine Strukturreform geben.

Der Beschluss werde von DHB, Landes- und Ligaverbänden in großer Einigkeit getragen, erklärte DHB-Präsident Andreas Michelmann Ende Oktober: »Das ist ein Meilenstein, um den Handball fit für die Zukunft zu machen«. DHB-Vize Hans Artschwager frohlockte gar, der Beschluss folge dem Leitspruch »Wir sind alle der DHB«. Bis März sollen nun drei Arbeitsgruppen (Leistungssport, Mitgliedergewinnung, Finanzierungsideen) konkrete Schritte vorschlagen, die mit letzten Modifikationen im Mai einem außerordentlichen DHB-Bundesrat zur Abstimmung vorgelegt werden. »Ziel ist, dass die Strukturreform ab 2021 in Kraft treten kann«, heißt es seitens des DHB. Zu erwarten sind Interessenkonflikte, Kompetenzgerangel und eine Menge kniffliger Detailfragen – der Zeitplan scheint sehr optimistisch.

Das beginnt schon bei der Finanzierung der Reform, die etwa drei Millionen Euro kosten soll. Das Präsidium um Michelmann wollte das Geld über Lizenzgebühren der Landesverbände (LV) zusammenbringen. Wilhelm Barnhusen, Präsident des mitgliederstärksten LV Westfalen (der mannschaftsstärkste ist der niedersächsische) sagte dazu im jW-Gespräch: »Damit gewinnt man keine neuen Mitglieder, damit verliert man welche.« Die DHB-Spitze scheint inzwischen von ihrem Ansatz abgerückt zu sein: »Ich will gar nicht über das Lizenzmodell sprechen«, sagte Michelmann unwirsch der Magdeburger Volksstimme vom 6. Dezember.

Eine Alternative wäre der »Sport-Groschen«, ein Aufschlag auf Tickets der ersten und zweiten Bundesliga. Die Handballiga (HBL), die den Spielbetrieb organisiert, zeigte dafür wenig Verständnis: »Wir sind jetzt schon ein maßgeblicher Geldgeber des DHB«, erklärte HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann gegenüber Handball inside (Ausgabe 5/2019). »Wir als HBL brauchen diese Reform nicht. Wir können den Spitzensport theoretisch auch mit 20.000 bis 30.000 Handballern entwickeln.«

Ein anderer Streitpunkt sind die Landesverbände. Steffen Müller, Präsident des LV Sachsen-Anhalt, erklärte auf jW-Nachfrage: »Das DHB-Arbeitspapier ›Perspektive 2020+‹ beinhaltet unter anderem eine Absichtserklärung zur Reduzierung der Zahl der Landesverbände.« Mehr sagte Müller erst einmal nicht – auch in dieser Region ist das ein Minenfeld. Müller: »Solange sich die politischen Strukturen und die unterschiedlichen Voraussetzungen in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen nicht ändern, kommt schon aus Machbarkeitsgründen eine Zusammenlegung nicht in Betracht.« Wenn sich zunächst die Landesverbände jedes Bundeslandes zusammenschlössen, wäre das ein erster, einfacher umsetzbarer Schritt mit identischen Landessportbünden und zuständigen Ministerien, meinte Müller. Letztlich liege die Entscheidung über Fusionen allein bei den Mitgliedern der Landesverbände.

Aber weder in NRW noch im Musterländle scheinen Fusionspläne aktuell ein Thema zu sein. Eine Reduktion werde es geben müssen, räumte Barnhusen zwar ein. Nur: »Unser Landesverband ist allein groß genug, um selbständig zu bleiben.« Ähnlich äußerte sich Thomas Dietrich, Geschäftsführer des Handballverbands Württemberg, gegenüber jW: »Wir setzen auf eine gute Zusammenarbeit, nicht gleich auf eine Fusion.« Einen gemeinsamen Spielbetrieb gebe es in der viertklassigen BaWü-Oberliga.

Barnhusen verweist auf das nichtzentralistische Verbandsmodell im DHB, auf die Abhängigkeit der Bezuschussung der Landesverbände durch einzelne Institutionen wie im Fall des Saarlands: Der Handballverband Saar wird durch Saar Lotto gefördert, würde bei einer Verschmelzung beispielsweise mit dem Pfälzer Handballverband seine Finanzierungsquelle verlieren.

Die Reihe der Streitpunkte ließe sich fortsetzen. Michelmann: »Wir als DHB werden das Geld nur noch in zehn Regionen hineingeben und nicht mehr an jeden Landesverband.« Auch hier droht Ungemach. Müller kennt bislang kein belastbares Konzept zu den Förderregionen. »Einige Fragen sind offen, etwa: Was sollen die Vorteile für die Landesverbände sein? Welche Aufgaben können mit welchem Mitarbeiterstab in den Regionen erledigt werden?«

Straffer sollen DHB und Unterbau nach dem Willen der Verbandsspitze werden. Vieles existiert aber erst an der Pinnwand.

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