Minister tankt am Kraftort Waldhaus auf

Manfred Lucha schaut auf seiner Sommertour in Hildrizhausen vorbei und gratuliert Hans Artschwager zum 60. Geburtstag

So macht das Minister-Dasein Spaß: Am Montagmorgen verband Manfred Lucha das Nützliche mit dem Angenehmen, als er bei den „besten Institutionen und den lässigsten Festen“ vorbeischaute. Im Waldhaus Hildrizhausen feierte nämlich Hans Artschwager seinen 60. Geburtstag.

von Otto Kühnle, 15. August 2016, Kreiszeitung Böblinger Bote

HILDRIZHAUSEN/KREIS BÖBLINGEN. Die Einladungen an Mitarbeiter und Sozialpartner, die Handballgemeinde und die Politik waren schon raus, als aus Stuttgart die Anfrage kam, ob denn das Waldhaus als vielfältig engagierter Träger in der Jugendhilfe dem neuen Sozial- und Integrationsminister die Arbeit präsentieren könne. Da musste Hans Artschwager nicht lange nachdenken, denn zu seinem 60. Geburtstag hatte er ein Weißwurstfrühstück arrangiert – „und das passt ja zu dem aus Bayern stammenden Minister“, mutmaßte er. Und wie es passte: Diese Einladung nahm der „Manne“ sofort an, setzte sich nach seinem Rundgang auch gerne an den Tisch, um mitzufeiern.

Der hemdsärmelig-unkomplizierte Mann aus Ravensburg mit bayrischen Wurzeln hatte gleich zu Beginn in kleiner Runde deutlich gemacht: „Man darf Manne zu mir sagen.“ Der neue Mann an der Spitze des Ministeriums nimmt sich auch mal selbst auf die Schippe, wenn er sich als „Integrationsminister, der sich seit 34 Jahren in Baden-Württemberg integriert“ bezeichnet. Gebürtig ist er aus Altötting, was man seinem Slang noch immer anhört. Den Dialekt pflegt er ebenso wie er gerne mit den Händen gestikuliert, doch ist er ganz konzentriert bei seinen Gesprächspartnern.

Mit einem Film wird er an die Arbeit des Waldhauses mit Unbegleiteten Minderjährigen Ausländern (UMA) herangeführt. Michael Weinmann, der Bereichsleiter der stationären Hilfen, nimmt den Gast dann an die Hand und führt ihn zu den Infotafeln mit den Mitarbeitern, die das das Angebot des Waldhauses in seiner Breite präsentieren. Mit 80 jungen Flüchtlingen kümmern sich die Waldhäusler um einen großen Anteil der 220 im Kreis untergebrachten Minderjährigen. Die kommen nicht nur aus den „klassischen“ Ländern wie Syrien und Afghanistan, sondern zunehmend auch aus Somalia, Gambia, Eritrea und Äthiopien. „Es ist schwierig, qualitätvolles Personal zu finden“, zudem sei es auch eine große Herausforderung, Plätze zu schaffen. „Mit optimistischem Pragmatismus blicken wir in die Zukunft“, gibt sich das Waldhaus aber positiv gestimmt. Auch wenn Hans Artschwager darauf hinweist, dass sich von den 80 jungen Menschen eben zehn nur schwierig integrieren lassen – so problematisch sind, dass man die anderen UMAs auch mal vor deren Aggressionen schützen muss. Und für jene, die zurück wollten, aber nicht könnten, müsse die Politik auch nach Lösungen suchen.

Wie das Waldhaus in zwölf Kommunen von der Jugendarbeit über die Schulsozialarbeit bis zur Ganztagsbetreuung unterwegs ist, verfolgte Lucha aufmerksam. Und für die Stadt Leonberg als Partner bestätigte Gabriele Schmauder auch, dass dort „hervorragende Arbeit“ geleistet werde. „Wir kürzen nicht rein, wir lassen sie in Ruhe“, beruhigte Lucha und unterstützte die Absicht, aus der Schule mehr als einen Lernort zu machen, nämlich einen Lebensort. „Geht’s Euch gut, läuft’s in der Jugendarbeit?“, wollte Lucha wissen und sprach das abgesenkte Wahlalter mit 16 an. Doch in Sachen Jugendbeteiligung, zog Annemarie Lemeunier das Fazit eines umfangreichen Projektes auf der Schönbuchlichtung, „klappt manches gut, manches aber auch nicht“. Und nach wie vor, wurde dem Minister ein Wunschzettel überreicht, fehle es für die Jugend an Räumlichkeiten und die Förderung dafür.

Aus Betroffenen Beteiligte zu machen versuchen die Mitarbeiter in der ambulanten Hilfe, wo sie ein Partizipationsprojekt gestartet haben, das die ganze Familie bei Schwierigkeiten in den Blick nimmt und vermehrt eigene Kräfte der Betroffenen wecken will – mit dem Blick auf die Kinder. Dass sich das Waldhaus auch um jene Jugendlichen kümmert, die durch alle Raster gefallen sind, wurde beim Besuch in der Intensivgruppe deutlich. Die ist „bundesweit gefragt“, mit acht Personen für die acht Jungs zwischen 14 und 18 Jahren wird ein hoher Aufwand getrieben. Aber das verpflichtende Angebot straff organisierter Sport-AGs hat viele auch schon straffällige junge Leute wieder in die Spur gebracht.

Fehlanzeige beim jugendpsychiatrischen Verbund

Für den Minister entpuppte sich das Waldhaus als „Kraftort“, wie er gut gelaunt bekannte. Der Kreis Böblingen sei sehr selbstbewusst aufgestellt, beim persönlichen Budget für Menschen mit Behinderung auch Vorreiter gewesen. „Wohnortnah, gemeindenah, personenzentriert“, lobte er die Angebote. Um dann doch nach einer Schwachstelle zu fragen. Ein jugendpsychiatrischer Verbund, der fehlt nämlich noch – nicht zu letzt der nicht vorhandenen Betten wegen, die erst von Calw-Hirsau in den Kreis verlegt werden. Und bei den Psychiatern droht in den nächsten Jahren ohnehin ein Engpass, konterte Sozialdezernent Alfred Schmid gegenüber dem über viele Jahre in der Psychiatrie beschäftigten Politiker.

Dann ließ sich sich Lucha die Weißwurst schmecken, nachdem er auch den Flyer des Projektes Oase in der Jugendberufshilfe mit Vokabeln in acht Sprachen bis hin zum Arabischen seinem Tross überantwortet hatte. „Soll ich jetzt Arabisch lernen?“, fragte er maliziös und bekannte: „Manche meinen, mein Bayrisch wär‘ schon Arabisch.“

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